Eine besondere Besteckschublade

Ja, Löffel aus Filz… wozu sollen die gut sein?

Okay, da muss ich etwas ausholen. Eine Freundin von mir hat leider Post-Covid, was mit einem Erschöpfungssyndrom einhergeht. Das wiederum kommt bei vielen chronischen Erkrankungen vor.

Und leider kann man es meist nicht heilen, sondern nur lernen, seine Energie so einzuteilen, dass man halbwegs unbeschadet durch den Tag kommt. Dies bezeichnet man oft auch als “Pacing”.

Jetzt ist es gerade bei einem Erschöpfungssyndrom aber gar nicht so einfach, sich die Energie einzuteilen. Zum einen hat man viel, viel weniger als man das sonst so gewöhnt ist. Zum anderen fehlt oft auch das langsame müde und erschöpft werden, wie das gesunde Menschen so kennen, sondern man kann ganz schnell bei null sein. Oder mal läuft über den Punkt drüber und bezahlt mit schlaflosen Nächten oder vielleicht sogar mehreren Tagen kompletter Bettlägerigkeit. (Je nach Ausprägung.)

Ein Modell, das einem helfen kann, die Energie besser einzuteilen ist die “12 Löffel Methode”. Was ganz einfach heißt, man hat am Morgen 12 Energielöffel und jede Tätigkeit kostet einen oder mehrere Löffel. Was und wie viel ist bei jedem ein bisschen anders. Bei einem ist vielleicht schon Aufstehen ein Löffel, Zähneputzen der zweite, duschen der dritte und Haarwaschen der vierte. Ja genau… 12 können sehr, sehr wenig sein.

Auch wenn man mal rausgefunden hat, wie viele Löffel eine Tätigkeit so “kostet”, findet es meine Freundin nicht so einfach, sich immer gut zu merken, wie viele sie schon verbraucht hat. (Bis dann wieder der Zusammenbruch kommt, der klar sagt, “zu viele”.)

Deswegen bekommt sie jetzt diese besondere “Besteckschublade”. Die Filzlöffel sind mit Klett versehen, die Grundplatte ist quasi die Flauschseite eines Klettbands als Meterware. Bei jeder Tätigkeit wird ein Löffel von links nach rechts umgeklebt. Dann kann sie auch immer sehen, wie viele Löffel schon verbraucht sind. Und ob sie heute Abend noch mit dem Hund gehen kann, oder ob das besser jemand anderer macht.

Da sie gerne “mogelt” (wie vermutlich viele Betroffene), gibt es noch die “Cheat” Löffel in schwarz, die bewusst etwas größer sind (um klar zu machen, dass es keine “Espressolöffelchen” sind) und die nur einmal die Woche wieder zurück gesetzt werden dürfen.

Jetzt muß ich nur noch eine Verpackung finden, um es auf dem Postweg zu schicken… :o)

6 Gedanken zu „Eine besondere Besteckschublade

  1. Oh, Leute, das habe ich nach einer Gewaltehe, die zu einem (unbehandelten) Burnout geführt hat. Es dauert schon über 30 Jahre und immer noch weiß ich nicht genau, ob ich dabei bin mich zu übernehmen und dann wieder drei Tage komplett auf der Nase zu liegen. Es gibt ja auch den inneren Schweinehund und die Unterscheidung ist immer noch sehr schwer. Es frisst einen Großteil der Lebensfreude, aber Natur, Musik und kreative Tätigkeiten helfen gut. Wenn man alleine lebt, geht es immer noch, denn man braucht die Möglichkeit, “von jetzt auf grad” wegklappen und schlafen zu dürfen. Das geht ja schon mit manchen Haustieren nicht.

    • Die Betroffenen, die ich kenne, die sind eigentlich alles Menschen, die gewohnt sind, Leistung zu bringen. Und auch in gesunden Zeiten eher über den inneren Schweinehund drübergelaufen sind, statt ab und zu auf ihn zu hören.
      Von daher… lieber mal auf den vermeintlichen inneren Schweinehund hören.
      So viel “muss” man im Leben gar nicht.

      (Und es gibt auch Menschen, die ganz tolle Ehepartner und Kinder haben, die sie einfach tatkräftig unterstützen.)

    • Hallo Homespun,
      ich bin gerade durch Zufall hier gelandet und möchte dich ermutigen, dir eine Trauma-Therapeutin zu suchen. Ich war auch in einer Gewaltehe und eine Ursache bei mir war, dass ich auch in der Kindheit schon viel zu viel Gewalt erlebt hatte. Ich wünsche dir: Lass dir helfen, deine Erlebnisse zu verarbeiten. Damit geht die Erschöpfung vielleicht nicht weg, aber die Seele kann gesunden. Auch eine Selbsthilfegruppe kann sehr sehr hilfreich sein.
      Eine liebevolle Umarmung von Johanna

  2. Danke! Eine warmherzige, beruhigende Antwort!
    Hatte aber nach der Gewaltehe auch noch den Kontaktabbruch durch die einzige Tochter zu verkraften, diese ist von klein auf in den Modus meines Ex und seiner (allgegenwärtigen) Verwandtschaft hineingewachsen. Da muss man teilweise sogar froh sein, dass sie sich im meinem Leben nicht aufführt, wie sie es gewohnt ist. Von daher … kein netter Mann und auch keine netten Kinder.

    • Falls du noch keine Therapie gemacht hast, würde ich den Vorschlag übrigens unterstützen.
      Und natürlich können Angehörige in so einer Situation auch eine Belastung sein. Nicht alle sind unterstützend. Und “keine” ist manchmal besser, als welche, die einen zusätzlich belasten.

      Wobei der Kontaktabbruch des eigenen Kindes natürlich besonders schwer zu verkraften ist.

  3. Hallo Nowak und Johanna, dankeschön! Therapie war ich schon, leider geht die Erschöpfung nicht weg. Selbsthilfegruppe vertrage ich nicht, denn da hört man sich die Geschichten der anderen noch an, was mich absolut runterzieht. Außerdem mag ich nicht zu jedem darüber reden, denn manchmal heult man auch und das ist zu privat für “Hinz und Kunz”.
    Jemand hat es mal so erklärt: jeder wird auf das Leben losgelassen mit einem gewissen “Tank” voller Energie, der für das ganze Leben reichen muss. Manche verbrauchen diese Energie mit ehrgeizigen Projekten (Bau eines protzigen Hauses), andere durch viele private Aufgaben (Pflege von Angehörigen etc.) … und wenn weg, dann weg. Manche Handwerker sind vor der Zeit aufgerieben, und sie erholen sich auch nicht mehr. So versteht man das schon, finde ich.

    Die Umarmung erwidere ich, Johanna!

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