Die Cote d’Azur war ja absolutes Neuland für mich. Was ich jedoch sehr schnell verstand: Man fährt da nicht hin, um sich zu erholen, man fährt da hin, um gesehen zu werden. (Und vielleicht auch zu sehen… wer weiß?)
Und so kam ich in St. Tropez, Nizza, Frejus,… und eigentlich jedem Dorf an der Küste in den Genuß, all jene Modetorheiten von Nahem zu betrachten, die ich bislang nur aus Zeitschriften und gelegentlich Schaufenstern kannte und bei denen ich mich immer gefragt hatte, wer um alles in der Welt so etwas trägen würde und zu welchem Anlaß?
Nun… “Cote d’Azur” scheint Anlaß genug zu sein, sich mit Designerklamotten, protzigem Schmuck und ebensolchen Handtaschen zu behängen und dann auf unglaublich unbequemen goldenen Sandalen (aus einem Minimum an Riemchen bestehend) gen Jacht zu stöckeln. Oder wenigstens in Imitaten der vorgenannten Designerware eine Strandpromenade entlang. Oder zum Einkaufen in den Supermarkt.
Wichtig sind diesen Modesommer offensichtlich diese sackartigen T-Shirts aus megeweichem, formlosem Jersey, die im 70er Look traurig am Körper herumhängen. Die gute Nachricht: Jede von uns kann sie tragen. Egal mit welcher Figur. Denn darin sehen von der mageren Modelfigur über die perfekt geformte Traumfrau bis zum Pummelchen alle gleich Scheiße aus. (Daß die Farben meist auch aus dem Bereich zwischen “ist mir übel blasslila”, “Magen im Rückwärtsgang schmutziggelb” und “Diarrhoe-oliv” stammen macht die Sache nicht besser.)
Absolut “de rigeur” sind jedoch Stiefel. Hoher Schaft, schmale, hohe Absätze… auch bei 25°C am Strand führt kein Weg daran vorbei.Was dann dazu führt, daß die acht bis zwölfjährigen Mädchen erbarmungslos ihre gefütterten Winterstiefel tragen. Offensichtlich sind die (süd)französischen Mütter in Hinblick auf Modewünsche der Kinder nicht weniger unnachgiebig als deutsche. 😉
Doch letztlich… ist noch etwas viel wichtiger als die Mode. Denn wozu kommt man denn an die Cote d’Azur?
Um braun zu werden natürlich!
So wird der Tagesablauf erbarmungslos diesem Ziel unterworfen, stundenlanges, bewegungsloses am Strand Liegen ist die Hauptbeschäftigung, so wie die Sonne herauskommt. Gerne auch in der Mittagssonne. Und wenn man denn doch einmal etwas anderes unternimmt, schließlich ist April und damit für südfranzösische Verhältnisse die noch relativ “kühle” Saison für Aktivitäten… dann tut man dies mit einem Minimum an Kleidung. Wandern in der Badehose (muß durchs Gestrüpp sehr angenehm gewesen sein…) oder dem Bikinioberteil und jeder madenbleichen Bauch, jedes schlaffe Bindegewebe beider Geschlechter muß beim Spaziergang dringend vorgezeigt werden. (Nein, mein Bauch sieht nicht besser aus. Aber ich ziehe zum Wandern keinen Bikini an….)
Gerade an den in der schulferienfreien Zeit vorherrschenden Senioren läßt sich auch gleich das Ergebnis dieser “Langzeitbewitterungsversuche” bestaunen: Poulet roti (Grillhähnchen) gibt es nicht nur an der Imbissbude, sondern überall. Allerdings haben die auf dem Grill eine glatte und knusprige Haut, die davor eher eine (zur Landschaft ja durch aus passende) Berg- und Talstruktur. (Es mag Gründe geben, warum sich wenigstens kulinarisch “Suppenhuhn vom Grill” nicht durchgesetzt hat. 😀 )
An den Stränden werden übrigens auch alle Tips zur Auswahl des zur Figur passenden Bikinis sorgfältig beachtet, die man pünktlich zur Urlaubszeit in allen Frauenzeitschriften so findet. Daher kann ich jetzt sagen: Sie helfen alle nichts. Der nicht vorhandene Busen wird auch durch das Bandeau-Oberteil nicht größer (und bei allem Sport das Bindegewebe im 7. und 8. Lebensjahrzehnt nicht mehr straff… ), Beine durch Höschenausschnitte nicht länger, die Reiterhosen nicht kleiner…
Viel zu sehen, an der Cote d’Azur…