Auch wenn es nicht immer so aussieht… ich nähe auch. Von Zeit zu Zeit. Schließlich soll die Jacke aus der Rosenseide auch mal fertig werden. Ostern wäre cool, aber sagen wir… zur Konfirmationseinladung reicht auch. Und im Gegensatz zur Kommunion letztes Jahr ist die erst im Mai.
Zugeschnitten ist die Jacke schon seit geraumer Zeit, und so lagerten die Einzelteile locker in einer Tüte. Die Frage welche Einlage hatte mir ja viel Kopfzerbrechen bereitet, aber ohne Handarbeit würde es nicht gehen… und da mit ma-san Seidenorganza gebracht hat, hatte ich endgültig keine Ausrede, warum es nicht weitergeht…
Allerdings hatte sie zum Organza auch noch eine Frage im Gepäck: Warum den überhaupt Einlage? Dupion sei doch schon recht steif. Und was denn da so ein dünner Seidenorganza bewirken solle?
Ich wußte erst mal keine Antwort. Ich weiß, der Stoff wird mit Einlage anders, nicht nur fester oder steifer… (wobei… mit dem Seidenorganza beschlichen mich im ersten Moment auch Zweifel, so hauchfein ist der) aber ich konnte es nicht beschreiben.
Während ich dann den Organza aufnähte sinnierte ich weiter vor mich hin. Und habe mir dann einfach mal ein verstärktes und ein “nacktes” Vorderteil nebeneinandergelegt.
Klappt man dann eine Ecke des Stoffen ein, sieht man den Unterschied überdeutlich. (Im Photo, so fürchte ich, nicht ganz so gut. Aber ihr könnt ja einfach mal selber mit einem Stoff testen und den Unterschied angucken). Der verstärkte Stoff mit der dunklen Rückseite (der Seidenorganza ist schwarz) rollt sich quasi über einen runden “Falz”. Der unverstärkte klappt einfach flach hin. (Die Farben sind verfälscht, ich habe versucht, mit der Bildbearbeitung zu spielen um den Effekt zumindest etwas zu zeigen.)
Ich glaube das richtige Wort für den Effekt könnte “Sprungkraft” sein. Oder so.
Jedenfalls ist die Einlage jetzt in fast allen Teilen drin!
Sagte ich schon, daß das zu den von mir am wenigstens geschätzten Nähaufgaben gehört?
An den Belegen und dem Unterkragen habe ich es mir ja einfach gemacht, hautfarbene G785 etwas kleiner zugeschnitten als die Schnitteile (schont das Bügelbrett und die Nahtzugabe wird am Ende eh noch beschnitten) und aufgebügeln. Mit eine Tuch und dafür etwas heißer als die Marke Vlieseline empfiehlt. Bügeln, geduldig bügeln, noch geduldiger bügeln. (Das mag ich daran nicht, man kann den Prozess nicht beschleunigen.)
Danach auf den Boden legen und mindestens einen Tag auskühlen lassen.
Jetzt ist die Einlage bombenfest, obwohl sie auf der strukturierten Seide ohnehin nicht überall haftet. (Wegen der “Täler” im Stoff.)
Den Oberkragen und die Vorderteile habe ich ganz mit Seidenorganza belegt. Die großen Heftstiche quer zum Rand werden am Ende natürlich wieder entfernt. Dazwischen habe ich die Einlage nicht befestigt, weil sie ja nicht viel wiegt und Organza auch nicht zum Durchängen neigt. Ich hoffe also, daß die Teilungsnaht für die Stabilität genügt.
Wenn man genau hinguckt erkennt man im Schulterbereich noch kleine Plack-Teile. Ebenfalls aus Seidenorganza, aber im schrägen Fadenlauf zugeschnitten.
Diese kann man eigentlich unbeschaden mit der Maschine auf die Vorderteileinlage nähen… aber nicht wenn das Vorderteile da eine Teilungsnaht hat und daher das Plack erst nach dem Zusammennähen der Vorderteile aufgenäht werden kann.
Aber vier Reihen kleine Heftstiche längs des kleinen Stoffstücks sind ja schnell gemacht.
(Placks gehören eigentlich zum Herrensakko, ich finde sie aber auch bei meinen Jacken praktisch. Die Schulter hat mehr Form und ist zum Beispiel auch unempfindlicher gegen Abdrücke und Knitter von Taschenriemen… und der Übergang zum Schulterpolster ist unauffälliger.)
Was bei Dupion empfohlen wird, ich aber diesmal nicht gemacht habe, ist G785 auf die Nahtlinien zu bügeln. Denn ich wollte den Stoff nicht platt bügeln. (Das Ausbügeln der Nähte zeigt sich auch als schwierig. Ein guter Kompromiss aus “Strukturmuster intakt lassen” und “Nähte trotzdem flach bekommen” ist gefragt… ) Ob ich es bereuen werde wird sich zeigen…
Die Ärmel bekommen nur mit Saumbereich Einlage. Auch hier mußte ich zuerst eine Naht des Zwei-Naht-Ärmels nähen. (Da die Ärmel leicht ausgestellt sind und keinen Schlitz haben fällt schon mal die Schlitzverarbeitung weg. 😀 ) Die Saumeinlage des Ärmels reich gut einen Zentimeter weit in die Nahtzugabe hinein und ist etwas breiter als die angeklappte Nahtzugabe. Ich habe den Organza auch hier wieder schräg zugeschnitten und ihn von Hand angenäht. Einmal genau im Saumbruch, einmal am oberen Rand. Nicht ganz einfach die Stiche von rechts unsichtbar zu halten aber dank megafeiner Nadeln und dünnem Faden ging es. uff
Der Rücken hat auch eine Rückenstütze. Hier waren ebenfalls zuerst die Abnäher zu nähen und die Mittelnaht. Am Organzateil habe ich die Mittelnaht quasi offenkantig genäht, also an einem Teil die Nahtzugabe abgeschnitten und links auf rechts auf die Nahtlinie des anderen gelegt. Dann aber mit dreifach Zickzackstich genäht, damit nichts ausfranst. Den unteren Rand der frei hängen bleibt habe ich mit der Zackenschere geschnitten, das sichert auch gegen Ausfransen, trägt aber nicht auf.
Angenäht wird diese freundlicherweise mit der Maschine, einfach einmal außenrum, auf der Nahtzugabe, knapp neben der Nahtlinie.
Die Rückenstütze ist auch so ein Teil das ich eigentlich in alle meine Jacken nähe. Sie unterstützt gleichzeitig das Armloch, die Kragenansatznaht und die Schulternähte und sorgt für einen schöneren Fall über der Schulter sowie weniger abzeichnende Schulterpolster. (Abhängig vom Material der Rückenstütze. Bei Seidenorganza ist der Effekt natürlich nicht so stark wie bei einem anderen, festen Stoff.) Und die Nähte verdehnen sich über dem Kleiderbügel später nicht so leicht. Und wenn es mal verdrückt ist (ich sage nur Handtasche…) hängt es sich leichter wieder aus. Im Koffer behalten Jacken so übrigens auch besser die Form… gg
Uff geschafft. Jetzt kann ich nähen.
Nur der Saum des Rückenteils fehlt noch, aber das kommt später, wenn die Saumlinie endgültig festgelegt ist. Da wird die Einlage wie an den Ärmeln gearbeitet.
Hallo,
ein toller Einblick in die Welt der Einlagen! Das werde ich mir als Link abspeichern.
Viele liebe Grüße,
Nadine