Vogue V1853 (Abendkleid)

Wie so oft bei Schnitten von Vogue war das so ein “Liebe auf den ersten Blick” Schnitt. Besonders bei der Abend- und Festmode habe ich das regelmäßig. Nur normalerweise habe ich keine Gelegenheit, sie zu tragen, also bleiben sie ungenäht und inzwischen schaffe ich es auch, sie ungekauft zu lassen. Meistens.

Und selbst wenn eine Festivität ansteht, ist die Kleiderordnung meist eher lässig, so dass man mit einem echten Abendkleid ganz schnell “drüber” ist.

Aber hier stand eine Hochzeit an und die Braut wünschte explizit “festlich-elegant” und brachte zum Ausdruck, dass “lang” schon genau richtig wäre. Also habe ich der Braut das Bild von der Vogue Seite unter die Nase gehalten, das Kleid mit einem kernigen “JA!” absegnen lassen und bestellt. (Als ich bestellte, war der Schnitt noch nicht auf Deutsch erhältlich und dummerweise dann auch noch markenübergreifender Supersale. Kam dann ein kleines Kistchen und ja, auch eine Zollerklärung war fällig. Nur genau den einen Schnitt in Deutschland kaufen wäre billiger gewesen, Und würde nicht so viel Platz in meinem Schnittlager verbrauchen. Aber es gab ihn ja noch nicht.)

Irgendwie hat der Schnitt ja viel Retro-Vibe, könnte aus einem Film der 70er sein. (Was für solche Kleider noch deutlich vor meiner Zeit war.) Mir gefiel der weich fallende Stoff, der tiefe Ausschnitt (der in einer Variante mit Tüll unterlegt ist, wovon ich auch Gebrauch machte) und die schmalen Schultern… und dass das Kleid zwar von vorne wie ein Neckholder aussieht, aber keines ist. Es gibt einen geschlossenen Rücken, was für das Tragen von BHs einfach von Vorteil ist.

Da ich schnell Seide als Wunschstoff im Auge hatte war klar, ich muss ein Probekleid machen, denn Seidenchiffon oder Georgette auftrennen und neu nähen ist nicht die beste Idee. Das Sommerkleid als Testkleid habe ich hier auch schon gezeigt. Während ich am Probekleid war, gab es dann auch schon den Stoff für die endgültige Version, drei Lagen Seide, in der Mitte Georgette, außen ein extrem feiner Chiffon und als unterste Lage (im Oberteil dann als Futter verarbeitet) ein Crêpe Chiffon. In drei verschiedenen Blautönen. Die Kombination ergab sich im Stoffgeschäft. Bei Sacré Coupons gibt es hinten im Laden auch Rollen mit Stoff vom Meter. Und der Mitarbeiter holte mir auch unverdrossen alles runter, was blau war. Bis ich drei Töne hatte, die zusammen passten.

Die “Schichtung” der Stoffe habe ich nach Farbeindruck entschieden. Ursprünglich hatte ich mal so was von dunkel nach hell gedacht, jetzt war aber der hellste Stoff der Georgette, der nicht wirklich transparent ist und beim Rumprobieren gefiel mir die Variante “tiefdunkelblauer Chiffon auf himmelblauem Georgette” am besten. Das Kleid ist eindeutig dunkelblau, hat durch die helle Unterlegung aber einen silbrigen Schimmer und die Farbe hat eine wunderbare Tiefe.

Das Rückenteil habe ich nur zweilagig gearbeitet, den Georgette weggelassen. Also ein Hauch von Transparenz.

Änderungen gab es auf unterschiedlichen Ebenen.

Zunächst natürlich, den Schnitt an die Figur anpassen. Das heißt bei mir, Größe 22 nehmen, rundum oberhalb der Taille 3cm rausnehmen. Im Rücken weitere 3cm rausnehmen, aber nur in der hinteren Mitte, zu den Seitennähten auslaufen lassen. Dafür die 3cm über dem Po auf gleiche Weise wieder zugeben. Und auf jeder Seite noch mal 2cm Brustumfang per FBA einfügen. Die Mehrweite nehme ich zur Taille nicht raus, die kann ich da nämlich auch brauchen. Am Rock habe ich die Weite nicht geändert, die wird dann halt einfach etwas weniger stark eingehalten.

Dann gab es Designänderungen. In erster Linie den Rockschlitz etwas kürzen. Denn ich wollte auch im Sitzen die Unterhose nicht zeigen. Ich habe ihn 10 cm weiter zugenäht. (Im Nachhinein hätten 7cm auch gereicht, aber ich trenne das jetzt nicht mehr auf.) Außerdem habe ich den Reißverschluss in die Seitennaht verlegt, mir gefällt (und nicht zuletzt bei dem leichten und transparenten Stoff) ein glatter Rücken besser. Für den Gürtel habe ich ein sehr weiches dunkelblaues Leder gewählt und eine strassbesetzte Schnalle. Meine Stoffe waren ohnehin nicht sehr gut geeignet, einen Gürtel draus zu machen und die Schnalle zu beziehen.

Und Änderungen in der Verarbeitung, die aufgrund meines Stoffes und der Designänderungen nötig waren. Da mein Stoff leicht, transparent und fransig war (Seide halt) habe ich mich bei allen Säumen im Rock für französische Nähte entschieden, allerdings relativ breite. Von wegen Stoff franst aus und Kleid soll maschinenwaschbar sein. Die drei Röcke habe ich einzeln genäht und dann in der Taille zusammengefasst. Dabei übernimmt der untersten die Funktion des Unterrocks und sorgt dafür, dass die Nahtzugaben des Oberteils versteckt sind. Allerdings ist auch er mit der rechten Seite der Nähte nach außen verarbeitet. Die Röcke liegen also alle links auf rechts.

Im Oberteil habe ich die zwei äußeren Stofflagen zusammen als eine verabeitet, die dritte Lage bildet das Futter. Alle Nahtzugaben liegen also innen. Durch meinen semi-transparenten Rücken musste ich allerdings alle Nahtzugaben vom Rücken weg bügeln. Als entweder in den Rock oder in die Vorderteile. Das sieht der Schnitt anders vor, dank meiner dünnen Stoffe geht es aber. (Auch wenn es etwas seltsam ist, die Nahtzugabe eines gekrausten Rocks nach unten in den Rock zu bügeln.)

Da mein Rücken keine Naht hat, konnte ich auch die Armausschnitte von Futter und Oberstoff nicht verstürzen, da fehlte die Wendeöffnung. Ich habe dann die Armausschnitte mit einem Streifen Schrägband aus dem Crêpe Chiffon als Beleg verstürzt. Sieht ordentlich aus und ist nicht sehr kompliziert.

Das Kleid sieht außerdem Nahttaschen in den Seitennähten vor. Die sind praktisch und bei meinem Probekleid habe ich mir sogar die Mühe gemacht, eine Nahttasche in die Seitennaht mit Reißverschluss einzuarbeiten, aber an der Stelle war mir schon klar, dass ich keine Taschen im endgültigen Kleid haben würde. Hier waren mir die freischwingenenden Rocklagen und ihre Transparenz wichtiger. Eine Tasche hätte entweder nur in der obersten Rockschicht sein dürfen. Da wäre sie aber sichtbar und gleichzeitig weitgehend sinnfrei, den der Chiffon ist so leicht, dass man in eine Tasche nichts reintun könnte, außer Luft. Oder sie hätte durch mehrere Lagen gehen müssen, dazu muss man die Rocklagen an der Stelle aber fest verbinden. Beim Abendkleid gewinnt auch bei mir mal die Form über die Funktion.

Da ich keine weitgehend unsichtbaren BH mit ausreichend schmalen Schultern bekommen habe, habe ich innen an den Schulternähten noch ein Satinband mit Druckknopf für die BH-Träger angenäht. Die Schultern des Kleides, sind noch breit genug, um die BH-Träger drunter zu schieben, sie brauchen nur etwas Unterstützung, um auch dort zu bleiben.

(Oben im Bild in der offenen Variante, unten im Bild, wenn der Druckknopf geschlossen ist. Also einfach Satinband abgeschnitten, die Enden mit einer Kerze “versäubert” (es lebe die Kunstfaser), den Druckknöpf aufgenäht und dann von Hand am Klein innen angenäht.)

Man sieht also, so wahnsinnig viel von der eigentlichen Anleitung ist gar nicht mehr übrig bei meinem Kleid. Trotzdem gibt es ein paar Punkte zu kritisieren….

Echtes Kopfzerbrechen haben mir die Schulternähte bzw. der Ansatz des Kragens hinten bereitet. Das Vorderteil hat ja recht tief eingelegte Falten und wie man den Stoff dieser Falten annäht, hat einen Einfluss darauf, wie hinterher am Kleid die Falten fallen. Nur kommen die Falten, bzw. der ganze Stoff der da durch die Falten ist in der Zeichnung der Anleitung einfach mal generös gar nicht vor. Wie man den legen soll? Keine Ahnung.

Am Probekleid habe ich dreimal getrennt, weil es jedes Mal doof aussah. Danach habe ich die Anleitung ignoriert, habe bis zum Schulterpunkt genäht und dann den angeschnittenen Kragen ab dem Schulterpunkt ans Rückenteil. Der Stoff der Falten bleibt dadurch weitgehend freihängend. Sieht nicht perfekt aus, aber akzeptabel.

Am Abendkleid habe ich (die hintere Mittelnaht habe ich ja nicht) den Kragen von der hinteren Mitte her zu den Seiten gesteckt und aus der Richtung legte sich der überflüssige Stoff dann mehr oder weniger automatisch in eine passende Position und die Falten haben einen schönen Fall.

(Die Schlingen für den Gürtel habe ich auch aus Satinband gemacht, statt mich das mit gehäkelten Garnschlingen abzumühen.)

Was mir dann noch bei der Verarbeitung der Taschen aufgefallen war: Die Zeichnung deutet darauf hin, dass das Unterstitching an beiden Taschenbeuteln stattfindet, beschrieben wird es nur für vorne.

Eine große Herausforderung war, die drei Rocklagen auf gleiche Länge zu bekommen. Nun ja.. da war ich im Schneideratelier und habe die Rocklänge markieren lassen. Und dann auch gleich schneiden, weil die Schneiderin und ich den Verdacht hatten, dass die Markierung nicht bis nach Hause halten wird. (Da ich hier nicht gefragt habe, ob ich die Bilder zeigen durfte, ist die Schneiderin weggeschnitten. Es ist aber grundsätzlich nützlich, auch gute Beziehungen zu ortsansässigen Fachleuten zu haben und die eine oder andere Dienstleistung einfach zuzukaufen.)

In der Gesamtheit bin ich mit meinem Kleid sehr zufrieden. Trotzdem gibt es einige Kritikpunkte an mich selber: Ganz besondere der Fadenlauf der Röcke und da ganz besonders der, des obersten Rocks. Beim Nähen habe ich schon gemerkt, dass der Fadenlauf da bestenfalls dran vorbeigewunken wurden. Ganz besonders der obersten Stofflage. Einen derart feinen Chiffon hatte ich noch nie, doppellagig zuschneiden war offensichtlich zu viel für den. Und auf dem glatten Fußboden auslegen auch. Der hätte andere Techniken gebraucht.

Zum Glück fällt es beim Tragen nicht auf.

Auch der Ausschnitt ist weiter geworden, als beim Probekleid. Dass der Tüll tatsächlich auf Entfernung einen “nackt” Eindruck erzeugt funktioniert gut. (Und ja, ich trage einen BH drunter). Nur war der Tüll an meinem Probekleid mit der Spitze natürlich unelastisch gemacht. Am Abendkleid hingegen war er sehr elastisch und hat sich natürlich ungehemmt zur Seite gezogen.

Da für nächstens Jahr noch eine Hochzeit geplant ist, habe ich mal unsichtbaren Nähfaden besorgt und werde schauen, ob ich die untere Tülllage damit angemessen in der Elastizität einschränken kann. Denn da will ich nicht noch ein Kleid nähen.

Nachbessern muss ich auch noch etwas am Gürtel, die Gürtelschnalle lässt dem Gürtel viel Spiel, der lockert sich ständig stark. Da habe ich mit einem Haargummi abgeholfen, durch den ich den Gürtel beim Schließen zusätzlich ziehe und den ich dann unter die Schnalle schiebe. Nicht ganz perfekt, aber ging. Da weiß ich nicht genau, was ich mache, Druckknopf? Haken und Öse? Oder einfach ein dunkelblauer Haargummi? (Der Gürtel ist aus Leder, zwar sehr weichem Leder, aber vielleicht doch nicht so ideal, um von Hand noch was anzunähen.)

Meine Stoffe waren ja vorgewaschen, damit das Kleid nach einer durchtanzten Nacht in die Waschmaschine kann. Danach war die oberste Stofflage der Röcke kürzer… mal gucken, ob sich das wieder bügelt. Sonst gehört es halt so.

Ich bin mit Schnitt und Kleid zufrieden, das Kleid wird aller Voraussicht nach n2025 immerhin einen zweiten Einsatz bei einer Hochzeit bekommen. Das Sommerkleid hingegen dürfte öfter getragen werden. Nochmal nähen werde ich es allerdings nicht. Das ist ein Schnitt für ein besonderes Kleid, nicht für eines, mit dem man in Massenproduktion geht.

Aktueller Nadelblick

Nachdem ich jetzt das Festivitätennähen 2019 und die Aufräumarbeiten hinter mir habe, kann ich da weiter machen, wo ich, ich glaube 2018, was bereit gelegt hatte, was gleich als nächstes geplant war…

halb genähtes Shirt in rotUnd das macht auch ganz gute Fortschritte. Hier entsteht gerade ein Shirt nach dem Vogue Schnitt V9300 von Marcy Tilton. Die Ärmel und der Kragen sind schon vorbereitet (und der Stoff auf rechts gedreht), am Shirt selber fehlen die Schulternähte und der Saum. Daher ist der Stoff auch auf links gedreht. Den Stoff habe ich vor sicher 10 Jahren oder so in Paris bei Sacré Coupons mitgenommen. Ich glaube, das war kurz nachdem sie den zweiten Laden daneben übernommen hatten… Rote Viscose, extrem flutschig, mit kleinen weißen aufgedruckten Blümchen.

SockenUnd mit den Weihnachtssocken für meinen Bruder ist es auch deutlich vorwärts gegangen. Die zweite Socke ist am Schaft angekommen. Und das, obwohl ich nach der Halben Ferse entdeckt habe, dass ich eine Masche verloren hatte. So 20 Runden unterhalb der Ferse. Na gut… getrennt, Masche wieder integriert und weiter.

Das dürfte dann das am zeitigsten fertiggestellte Weihnachtsgeschenk in meinem Leben werden…

Wobei im Moment das Blog auch weitgehend aktuell ist, so viel ungebloggtes schlummert bei mir gerade nicht.

Das wäre eine gute Gelegenheit, noch ein paar Anleitungen zu früheren Heften zu schreiben. Nur… ausgerechnet das Notizbuch, in dem die Aufzeichnungen drin stehen ist verschwunden. Das vorher und das danach sind da… *grmpf*