Das Modell hatte mir ja im Heft sofort gut gefallen und vor meinem geistigen Auge sah ich auch einen weißen Baumwollbatsit mit Lochstickereibordüre, der seit Jahren in meiner Kiste lagert. Weiß ist ja auch wieder Sommertrend. Zum Glück habe ich mir erst mal im Urlaub eine weiße Tunika gekauft, denn bis ich zu diesem Schnitt kam, war es schon eher Frühherbst.
Außerdem stellte ich dann fest, daß ich den weißen Stoff wohl doch mal verschenkt hatte… fand aber einen anderen Lieblingsstoff mit Lochstickerei und weiß… hatte ich ja schon gekauft. Der war aber wieder so Lieblingsstoff, daß erst mal ein Probeteil her mußte. Ein eisblauer Ausbrenner Voile, den ich auch vor mehr als zehn Jahren mal bei einer Tauschaktion bekommen hatte. Also konnte ich dann doch loslegen.
Nach Vergleich meiner Körpermaße mit der Maßtabelle und den fertigmaßen habe ich mich für die Größe 44/46 entschieden. Eigentlich hätte mein Hüftmaß 48 gebraucht, aber zum einen ist das Modell weit, zum anderen kommt durch die FBA ja auch noch mal Weite rein, die ohne Abnäher auch nicht rausgenommen werden kann.
Das Kopieren des Schnittmusters war in bewährter Weise eine Freude… die Linien auf dem Schnittmusterbogen laufen ineinander, auch solche, die identisch in Farbe und Form sind, aber zu völlig unterschiedlichen Teilen gehören, rot wurde offensichtlich über schwarz gedruckt… oft muß man den Linien in beiden Richtungen folgen (wenn man mal einen Ausgangspunkt gefunden hat), um die passende Kontur zu finden.
An Fehlern mangelt es ebenfalls nicht. Saumlinie für Modell 39&39, alles klar. Beim Kopieren des Ärmels bemerkte ich dann, das es offensichtlich auch für das Vorderteil ein Passzeichen gibt, das ich aber nicht mit kopiert hatte. Eine genauere Inspektion verriet auch schnell warum… in den beiden größeren Größen ist es vorhanden, in meiner nicht. Ärmel gibt es der Beschriftung nach auch nur für zwei der vier Modelle (36-39), die anderen beiden muß man aus der Zeichnung erraten. Das geht, aber “nähleicht”, wie der Hefttitel verspricht ist das sicher nicht. Wobei sich die Markierungen an der Kante des Ärmelsschnitteils dann wohl tatsächlich nur auf eine Version beziehen… Das ist alles eher für ausgefuchste Näherinnen.
Kurzum… das Heft liefert viel Schnitt für wenig Geld, aber es ist auch unübersehbar, dass es ein Billigprodukt ist.
An Schnittveränderungen gab es zunächst mal meine üblichen figurbedingten. Am Voderteil im ganzen 6 cm per FBA eingefügt (der Abnäher liegt ja nicht ganz klassisch, daher habe ich die FBA nicht durch erweiterung des vorhanden Abnähers gemacht, sondern bin klassisch in den Armausschnitt rein. Das erweiterte dann aber den vorhandenen Abnäher einfach nach oben, so daß ich den nicht mehr verlegen mußte, sondern ihm nur eine neue Mittellinie verpassen. Rundum habe ich oberhalb der Taille noch 2cm Länge rausgenommen und am Rückenteil noch mal keilförmig, knapp 2cm an der hinteren Mitte verlaufen zu den Seitenlinie. (Die hintere Mitte bekommt dadurch einen Knick den ich aber ignoriere, sondern das Teil dann wieder ganz normal im Bruch anliege. Bei mir ist das Problem ja nicht Hohlkreuz, sondern nur kurzer Rücken mit auslandendem Po. Das ist ähnlich, aber eben nicht ganz das Gleiche.)
Die Ärmel habe ich weit zugeschnitten, also fast gerade nach unten und um die Länge der Rüsche direkt verlängert. Da soll dann ja ein Gummi rein, statt eines angesetzten Teils.
Der Zuschnitt war dann die nächste Herausforderung. Mein Stoff ist ein leichter Ausbrenner, der in sich sehr schön stabil und fadengerade war, nur leider war er extrem schief zugeschnitten, so etwa 30 cm Versatz über die Breite. Und von der Menge her knapp. Ich konnte aber tatsächlich Vorder- und Rückenteil untereinander im Bruch zuschneiden und die beiden Ärmel einlagig zugeschnitten daneben. Sogar für die Träger und die vordere obere Kante hat es noch gereicht. (Dann war aber wirklich Ende des Stoffes, der Rest gibt nicht mal mehr ein Barbiekleid.)
Ähnlich “erfreulich” geht es mit der Anleitung weiter. Die Zeichnung zeigt, daß die Abnäher ganz offensichtlich genäht werden (was jeder erfahrenen Näherin klar ist), die Anleitung übergeht diesen Schritt ganz generös. Die obere Kante des Vorderteils wird mit Vlieseline bebügeln, was sinnvoll ist, die Träger aber nicht. Da ich die Träger aber deswegen will, damit ich nicht versehentlich im Freien stehe, fand ich es sinnvoller, sie auch zu bebügeln, damit sie nicht ausleiern. Ich habe mich angesichts des dünnen und transparenten Stoffs in beiden Fällen für hautfarbene G785 entschieden.
Zum Glück ist das Modell im Ganzen nicht schwierig zu nähen und war letztlich auch eine relativ einfach Nähaufgabe. Bei der Verarbeitung im Detail habe ich mich eh nicht an die Anleitung gehalten, denn ich wollte mal ausprobieren, ob man so ein Teil nur mit geradem Steppstich nähen kann. Quasi wie auf einer alten Gradstichmaschine. Die Antwort ist: Man kann. Ich habe einfach überall rechts-links-Nähte (aka Französische Nähte) gemacht, nur etwas breiter, als man das typischerweise machen würde. Das sieht dann von innen und außen gut aus, denn mein Stoff ist ja semi-transparent, da scheint das etwas durch.
Für die Ärmel habe ich leichten Gummi in der Länge zugeschnitte, wie der ungekräuselte Ärmel an der Stelle hätte haben sollen und habe das überlappend zum Ring geschlossen. (An der Stelle habe ich ein bisschen gemogelt und den Gradstichfuß kurz abgenommen… es wäre vermutlich auch mit Gradstich gegangen, aber die Schnittkanten mit umschließen fand ich jetzt auch nicht falsch.) Das ergab bei meinem leichten Gummi (der durch seine zartgrüne Farbe aber von rechts ziemlich unsichtbar war) zu wenig Kräuselung, also abtrennen, fünf Zentimeter rausschneiden, noch mal aufnähen… passt. 🙂 Und ja, auch den Gummi habe ich mit Steppstich aufgenäht. Der Gummi wird auf die Weite des Oberstoffes gedehnt, der Oberstoff ist nicht dehnbar, also kann der Gummi auch später nicht weiter dehnen als das und ich habe entlang jeder Gumminkante einfach gesteppt. Mit eher langer Stichlänge, damit der Fadeneintrag den Gummi nicht ausdehnt. (Hier hatte ich vorher allerdings in der Mitte des Gummis von Hand geheftet, um die Mehrweite am bereits rund genähten Ärmel gleichmäßig zu verteilen.)
Die Länge des Schultergummis habe ich auch durch einziehen, feststecken und dann anziehen bestimmt. Meiner mußte deutlich kürzer werden, als die Anleitung vorgesehen hatte. (Abgeschnitten wird der Gummi dann immer erst zum Schluß. Ich kaufe meist so 5m und wenn die aufgebraucht sind wieder 5m. Dann habe ich weniger Verschnitt.)
An den Säumen gab es dann einen feinen Saum genäht, wie man das ohne den Säumerfuß macht, habe ich hier schon mal beschrieben.
Trotz des Winters hat das Werk den Tragetest an Sylvester auch schon bestanden. In zwischen habe ich die Träger vorne noch von Hand oben an der Ausschnittkante angenäht. Das gefiel mir so noch nicht ganz so gut.
Im Ganzen hat der Schnitt aber die Probe bestanden und wie ihr ja schon im aktuellen Nadelblick gesehen habt… auch die zweite Version ist schon fast fertig. Den enormen Abnäher durch die FBA könnte man auch aufschneiden, aber bei dem dünnen Stoff geht es auch so.
Bei leichtem Stoff würde er wohl auch problemlos ohne die Träger halten, aber da mein Körper ohne BH-Träger nicht hält… sind die Träger gut, um andere Träger zu verdecken. Im Winter sogar die eines Unterhemds mit Spaghettiträgern.