Kirchliche Zeremonie im Okober… da reicht auch ein Merinokleid nicht mehr, da muß noch eine Jacke dazu.
(English version is on pattern review.)
Den Stoff hatte ich ebenfalls vorletztes Jahr aus Paris mitgenommen, bei Malhia Kent vom Grabbeltisch gezogen. Nachdem ich von der Feier erfahren hatte. Und dachte auch gleich an eine Jacke. Als ich mit dem Kleid und seinen vielen Teilen beschäftigt war, wurde aber schnell klar, dass die Jacke eher schnell gehen sollte. Wenige Teile, keine überflüssigen Details… was natürlich auch zu den Stoff passte, denn der hat schon genug Muster, der ist auffällig genug.
Einen Standardschnitt für ein kurzes Jäckchen ohne Kragen habe ich ja, den ich auch schon mehrfach als Grundlage für Veränderungen genommen habe. Aber so ganz langweilig wäre ja bei dem Stoff auch schade…
Als dann die Herbstkollektion von Vogue herauskam und ich den Schnitt V1648 vom Designer Júlio César sah war klar, dass der genau passt. Nur ohne die vorgesehenen Applikationen des Modells.
Es war zwar unklar, ob der noch so rechtzeitig aus den USA kommen würde, dass ich die Jacke auch noch nähen könnte (auf die deutsche Ausgabe konnte ich definitiv nicht warten), aber ich habe es riskiert und hatte Glück. (Was auch damit zu tun hat, dass ich für das Kleid sehr lange gebraucht habe und dementsprechend erst sehr spät mit der Jacke anfangen konnte…)
Beim Öffnen der Schnitttüte traf mich allerdings erst mal der Schlag. Mit so vielen Teilen hatte ich nicht gerechnet… Ganz so schlimm war es allerdings dann doch nicht, denn die Plazierung der Applikationen ist auf den Schnittteilen. Da die nicht symmetrisch ist, gibt es für jedes Vorderteil und für jeden Ärmel ein eigenes Schnitteil. Außerdem statt Säume reichlich Belege für ungefähr alles. Auch die Klappentaschen habe ich weggelassen. (In das Futter dann eine Reißverschlusstasche eingenäht, damit wenigstens ein Taschentuch irgendwo unter kommt. Mein Kleid hat ja auch keine Taschen…)
Da ich weder die Taschen noch die Applikationen gearbeitet habe, habe ich die Anleitung diesmal großräumig ignoriert. Einige Dinge sind mir aber auf dem Schnittmusterbogen doch aufgefallen.
Was natürlich zuerst ins Auge springt ist, daß das Photo auf der Schnitttüge ganz offensichtlich eine Jacke zeigt, die im schrägen Fadenlauf gearbeitet ist. Die Schnittteile zeigen aber eindeutig einen normalen geraden Fadenlauf. Das dürfte bei der Jacke jetzt keinen so enormen Unterschied machen, auf den Fall des Stoffes, besonders am Rückenteil und der Falte dürfte es sich dennoch auswirken.
Manche Markierungen auf dem Schnitt fehlten auch in einigen Größen. Etwa das Abnäherende vom Futtervorderteil in Größe 20. (In allen anderen Größen war es da.) Auch sind die Passzeichen, als Dreiecke ausgeführt, in manchen Größen nicht oder kaum zu erkennen. Denn ein Teil der Größen wird mit gestrichelten Linien gezogen und manche davon haben einen Rapport, der sehr lange “Leerräume” zwischen den Strichen besteht. Wenn dann eine kurze Strecke (wie die Seitenlinie eines Dreickes) dann halt nur auf den Teil des Rapports entfallen, der gerade aus “leer” besteht… ist da gar nichts gedruckt. Da hätte man schon etwas besser aufpassen können.
Was mir auch noch aufgefallen ist: Die Abnäherspitze im Vorderteil landet nicht auf dem Brustpunkt, sondern 1,25 cm drüber. Ich habe das belassen und die Jacke sieht gut aus, aber ob das Acsicht ist oder sie “trotzdem” passt kann ich nicht sagen?
Ich habe wie üblich Größe 20 gewählt und habe dann an jeder Seite 1,5 cm in Form einer FBA zugefügt. (Das auf den Brustpunkt zu und danach den Abnäher wieder auf 1,25 cm über den Brustpunkt verlegt.) Außerdem habe ich oberhalb der Taille rundum 3cm Länge rausgenommen. An sich geht man ja bei nicht körpernahen Teilen davon aus, daß das da nicht nötig ist, aber meine Erfahrung über die Jahre ist, dass seltsamerweise die Passform und die Proportionen besser passen, wenn ich das trotzdem tue.
Beim Nähen habe ich dann festgestellt, daß das Passzeichen auf der vorderen Kante und der Kante des Belegs um 3cm in der Höhe verschoben sind. Das habe ich ignoriert und die Kanten einfach so aufeinandergenäht, die Gesamtlänge stimmt.
Gerätselt habe ich bei der Bügelfalte in der hinteren Mitte. Die Anleitung sagt, man soll sie bügeln, auf dem Bild fällt sie eher weich… ich habe mich dann entschieden, sie zu bügeln, wie in der Anleitung, aber nicht mehr, nachdem ich den Beleg aufgenäht habe. (Der nicht gebügelt wird.) Dadurch dehnt die Falte aber zumindest auf meinem Stoff ganz auf. Inzwischen habe ich die Falte bis unten hin mit dem Beleg noch mal gebügelt, das gefällt mir besser.
Mein Stoff ist zwar weich, hat aber auch Stand, daher habe ich auf Einlage verzichtet, was auch gut funktioniert hat. Wenn wäre G785 praktisch gewesen, aber nur, um den Stoff gegen Ausfransen zu sichern… Die Anleitung, habe ich, wie gesagt, eh weitgehend ignoriert, sondern genäht, wie ich es mag. Die Teile zusammenzufügen ist keine große Kunst, die Futterteile habe ich an die vorderen und Kragenbelege genäht und mit denen zusammen eingenäht, die untere Futterkante dann von Hand an den Saumbeleg. Den Saumbeleg habe ich vorher unsichtbar angehext, da war ich mir nicht sicher, ob der sonst nicht doch auf Dauer absackt, der Saum ist auch relativ weit. Und bei den Ärmeln den Futterärmel an den Beleg und dann am Ende von Hand an der Armkugel angenäht.
Da ich keine zu meinem Stoff passenden großen Knöpfe hatte (und mir eh nicht sicher war, ob ich welche wollte), habe ich große Druckknöpfe unsichtbar aufgenäht. Super sorgfältig gemessen, in der Nacht vor der Feier aufgenäht… und dann realisiert, dass ich wohl besser nicht auf dem Beleg gemessen, sondern mich nach dem Karomuster des Stoffes gerichtet hätte. Bei den letzten beiden habe ich das dann ausgeglichen, der Versatz ist auch nicht extrem, aber eigentlich sollte ich zwei von den Knöpfen noch mal abtrennen und neu aufnähen…
Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden, die Kombi aus Kleid und Jacke durfte dann Weihnachten und zu einem 60. Geburtstag noch mal ran und seit Anfang diesen Jahres dürfen beide Teile getrennt mit ins Büro. Die Jacke passt sehr gut auf schmalen schwarzen Rock und schwarzes Oberteil. Einzeln ist das dann auch nicht mehr zu viel. Im Moment auch noch durch schwarze Stiefeletten abgemildert, aber wenn es wärmer wird, auch wieder mit roten Schuhen. 😉