Das Thema Overall (oder Jumpsuit, wie man heute sagt) ist ja seit einigen Jahren wieder in der Mode präsent (was dann auch gut zum 1980er Revival passt). Ich hatte auch schon immer mal versucht, einen zu kaufen, aber in meiner Größe sind die Geschäfte mal wieder der Meinung, dass das nicht sein muss. Und bei den Nähplänen war irgendwie immer was anderes dringender.
Trotzdem hatte ich die Angebote der Schnitthersteller zu dem Thema auch kontinuierlich im Auge und der Vogue-Schnitt V1617, ein Design Modell von Zandra Rhodes, hatte mir auf Anhieb gefallen. Diese extrem lässige Form sprach mich irgendwie an. Weit, aber trotzdem nicht formlos.
Allerdings eher kein Modell für den Alltag… weite Hosenbeine zum Radfahren, Ärmel, die so weit sind, dass keine Jacke drüber passt… da helfen die Taschen alleine dann auch nicht weiter.
Aber dann kam unerwartet eine Einladung zu einer Hochzeit und der Schnitt musste zu mir.
Mit dem Ergebnis bin ich, siehe Bild oben, auch superzufrieden. Der Jumpsuit trägt sich bequem und lässig, ist aber gleichzeitig elegant. Und mal was anderes. Kleider für festliche Anlässe sind ja… letztlich doch immer sehr ähnlich. Anderer Stoff, ein paar Details… aber nichts wirklich anderes. Da ist so ein Overall wirklich eine geniale Abwechslung.
Nicht ganz so glücklich war ich mit dem Schnitt.
Zum einen waren die Schnittbögen deutlich stärker zerknittert als das bei Vogue sonst so üblich war. Trotz einiger Bügelarbeit wurden sie nicht wirklich glatt. (Heiß und Dampf ist bei Papier ja keine Option.)
Außerdem waren an vielen Stellen schlichtweg Linien und Beschriftungen anderer Bögen durchgeschlagen, so dass nicht überall wirklich gut zu erkennen war, was gerade gilt.
Und, ich weiß nicht, ob ich es geschafft habe, das Papier beim Bügeln so stark zu verdehnen oder ob es am Schnitt lag, etliche Passzeichen passten einfach nicht. So war die hintere Mitte der Ausschnittblende nicht in der Mitte zwischen den beiden Passzeichen der Schulter. Oder das Passzeichen der Saumbelege korrespondierte mit nichts am Hosensaum. Und ich habe Papier auf Papier gelegt, nicht nur die Stoffteile verglichen. Dann gab es auf dem Bund auch ein Passzeichen, dass zu gar nichts gut war. Das sah zumindest nicht so aus, als ob es einfach nur durchgeschlagen gewesen wäre?
Die gute Nachricht: Die Länge der Teile an sich hat gepasst. Nur die Passzeichen nicht alle. Zumindest nicht in Größe XL.
Den Stoff hatte ich schon, als ich den Schnitt gekauft hatte. Eine strukturierte Seide in Grün. Und zwar durch die Webung strukturiert, so dass sie beim Waschen erhalten bleibt. (Ich hatte so etwas bislang nur durch Hitze in den Stoff eingeprägt gesehen, das kann man dann aber nicht waschen.) Nur hatte ich nicht genug. Laut Anleitung braucht mal 3,60m, ich hatte 3,20 m. Aber wie hier geschrieben, bekam ich noch einen Coupon. Am Ende brauchte ich eh viel mehr, denn mein Stoff war statt 150cm nur 140cm breit und bei weiten Teilen und angeschnittenen Kimonoärmeln macht das einen Unterschied.
Außerdem habe ich Seidenchiffon als Futter für das Oberteil gekauft, grünen Satin für die Taschenbeutel, die Saumbelege und zum Einfassen von Nahtzugaben sowie mitternachtblaue Seide in Köperbindung (ich vermute, die ist für Krawatten gedacht) für die Einfassung des Ausschnitts und die Taillenblende sowie das Bindebändchen in der Taille.
Den Schnitt habe ich in Größe XL genommen und viel angepasst. Wobei ich diesmal, weil die Zeit auch etwas knapp war, einige Teile direkt ausgeschnitten habe. Nur die kopiert habe, die ich verändern musste. (Was dann fast alle großen Teile waren…)
In der Länge habe ich am Taillenbund 1cm rausgenommen und 2cm oberhalb rundum. (Der Ärmelumfang wurde dadurch auch etwas kleiner.) In der hinteren Mitte des Oberteils dann noch mal 3cm, zur Seite hin auslaufend (etwas gerate, wo wohl die Seitennaht wäre, wenn es eine gäbe), die gleichen 3cm habe ich über meinem Po wieder eingefügt.
Von der Weite her sollte man meinen, da kann man ja alles “reinmogeln”, aber ich wollte ja, dass es so lässig fällt, wie gedacht. Also habe ich trotzdem eine FBA improvisiert. Als Kompromiss nur 2cm statt 3cm pro Vorderteil.
Der Taillenbund vorne wurde entsprechen weiter gemacht und ich habe auch am hinteren Taillenbund einen Zentimeter zugegeben. Die beiden Teile bleiben an der Seite offen und überlappen. Und ich dachte, besser sie gehen etwas zu weit übereinander als dass ich am Ende eine Lücke habe, wo der Bauch rausschaut. Und ich konnte nicht gut abschätzen, wie viel Überlapp ich in der überdies flutschigen Seide brauche, damit da nichts frei liegt. (Wäre vermutlich nicht nötig gewesen, hat aber nichts geschadet.
Aus ähnlichen Gründen habe ich die hinteren Hosenbeine etwas weiter gemacht. Wäre auch nicht nötig gewesen, zumal der Schnitt hinten ja gar nicht so weit fällt (wenn man das Bild genau anschaut), aber Seide hat so gar keine Elastizität… und so habe ich kein Problem, falls ich das mal im Winter mit warmen Strumpfhosen drunter anziehen will.
Die Verarbeitungssschritte des Schnittes haben mir gut gefallen. An vielen Stellen sind Franzöische Nähte vorgesehen, so dass die Innenverarbeitung sauber ist. Und ich habe das dann noch konsequent weitergeführt an der inneren Beinnaht und an der Schrittnaht. An der äußeren Beinnaht müssen die Nahtzugaben wegen der Taschen auseinandergebügelt werden, da habe ich die Nahtzugaben eingefasst.
Ein Oberteilfutter war nicht vorgesehen, mir gefiel der Fall meines Stoffes mit dem Chiffon drunter aber besser. Da habe ich die Teile unterlegt. Da der Chiffon echt überallhin flutscht, habe ich die Teile des Oberteils aufgelegt und dann den Chiffon danach zugeschnitten. Und die Lange gleich zusammengesteckt (und an einigen Stellen geheftet) gelassen, bis der Jumpsuit fertig war.
Die Bundteile habe ich nicht mit Vliseline beklebt, sondern Seidenorganza als Unterlage benutzt. In dem Fall auf beide Teile, einmal im Fadenlauf geschnitten und einmal im Schrägfadenlauf. Dadurch wird es fest, kann sich dem Körper aber trotzdem noch gut anpassen.
Außerdem habe ich die hinteren Hosenteile im Schritt mit einer Lage Seidesatin (mit G785 bebügelt) verstärkt, denn da läuft es sich bei mir immer am schnellsten durch und bei Seide gleich noch mal schneller. Da hilft so ein bisschen Verstärkung doch.
Was ich nicht so geglückt fand, waren die Einfassungen. (An den Taschen sind noch welche, die man nicht sieht.) Bei Seide ist es sehr mühsam, mit 6mm Nahtzugabe zu nähen und zu bügeln, da ist es einfacher, mit breiterer Nahtzugaben zu arbeiten und nach dem Nähen wegzuschneiden. (Und zum Einhorn gibt es keinen Gradstichfuß mit Obertransport. Wobei ich, glaube ich, jetzt rausgefunden habe, dass das wohl der Patchworkfuß übernimmt. Den brauche ich dann wohl doch mal.)
Und an der Einfassung des Ausschnittes sieht man, dass an einigen Stellen die Anleitung doch nicht ganz fertig gedacht war. Der Einfassstreifen ist genau vier Mal die Breite der Nachtzugabe. (Auf dem Papierstreifen gemessen.)
Also schon mal nichts für den “Turn of Cloth”, der bei einem feinen Stoff zwar wenig ist, aber nicht inexistent. Dann soll man einen 6mm (=Nahtzugabe) schmalen Saum für die Innenseite einbügeln. (Auch hier… nichts was wirklich gut geht, noch weniger in Seide. Da muß man erst mal von Hand heften, bevor man was bügeln kann.) Und dann soll der Einfassstreifen beim Nähen teilweise gedehnt werden.
Was bedeutet… genau, er wird etwas schmaler. Auf der Rückseite hat man aber 6mm für den Saum schon weggeheftet… heißt letztlich, die Einfassung wird im sichtbaren Teil schmaler. Stellenweise.
Nun ja, da ich in Seide schon keine Lust hatte, einen 6mm schmalen Saum einzubügeln, habe ich den Einfasstreifen rechts angenäht, um die Kante gebügeln und dann auf der linken Seite von Hand angenäht. Ist eh eleganter, als von rechts im Nahtschatten zu steppen. An den Bundteilen habe ich es genauso gemacht.
Zwei Überraschungen gab es beim Nähen.
Zum einen habe ich mir redliche Mühe gegeben, den Ausschnitt nicht zu groß zu machen, den Einfassstreifen extra gut fest gezogen, damit er nicht zu sehr klafft.
Danach wurde mir bewusst, dass das meine Einstiegsöffnung ist. Verschluss hat der Overall sonst keinen. Po und Busen müssen durch den Halsausschnitt passen. Der im Übrigen durch die Verkürzung des Oberteils 4cm kürzer ist, als gedacht.
Okay… vorher denken, ne?
In Gedanken sah ich dann schon eine kleine Öffnung im Rückenteil. Aber… ich passe tatsächlich durch. Zunehmen darf ich dafür allerdings nicht mehr. Den Ausschnitt noch etwas zunähen geht natürlich auch nicht. Ich habe mir dann einen BH in mitternachtblau gekauft…
Und die Hosenbeine waren am Ende etwa 5cm zu lang. Das war auch etwas unerwartet, da ich proportional eher lange Beine habe. Ich hatte den Saum extra an die vorhandenen Saumbelege angepasst. Weil der Umfang um 0,5mm abwich sogar markiert, welcher Beleg an welches Hosenbein…. das war natürlich weg, nachdem ich 7cm abgeschnitten hatte. Ich habe dann einfach neue Saumbelege zugeschnitten. Einfach ein Streifen pro Bein, nicht wie vorgesehen mit zwei Nähten. Passte prima. Den Saumbeleg habe ich natürlich auch von Hand angenäht, was tatsächlich in der feinen Seide eine gewisse Herausforderung war. Aber es ging (AlterfilS 120 hilft… 150er wäre besser gewesen, aber ich hatte gerade erst bestellt und da wußte ich noch nicht, dass ich den Overall nähen wollte. Und habe dann genommen, was da war.)
Mit dem Jumpsuit bin ich jedenfalls glücklich. Ob er noch viele Gelegenheiten hat, getragen zu werden wird sich zeigen. Eine weitere hat sich schon gefunden. Ich hoffe auf einen dünnen Rolli in mitternachtblau, dann kann ich es zumindest Weihnachten noch mal tragen.
Wenn man ihn nicht aus Seide näht, wäre er auch gar nicht so mühsam zu nähen, ich überlege daher grade noch, ob ich das vielleicht mal noch aus einem afrikanischen Stoff nähe… könnte auch gut aussehen. (Allerdings habe ich noch einen anderen Overall-Schnitt gekauft… und der Nähplan für das nächste Jahr eigentlich schon voll…. na mal sehen.)